“Ein neues Bodenrecht für bezahlbaren Wohnraum” oder Ude ärgert sich über fehlendes Engagement seiner Genossen

Wenn am Roeckelplatz im Jahr 2004 ein Haus für gut 2 Mio. EUR gekauft und es nach 10 Jahren für 5 Mio. EUR weiterverkauft wurde, hat der Privat-verkäufer keine Steuern bezahlt. Mit diesem Beispiel für “leistungslose Gewinne” hat man Christian Stupka, Koryphäe für genossenschaftliches Wohnen in München, schon öfter durch die Stadt pilgern hören.


Mal mehr, mal weniger konnte er seine Zuhörer vom kritischen Blick auf den Umgang mit dem knappen und nicht vermehrbaren Gut “Boden” beigeistern. Der zündende Funke ging erst Anfang diesen Jahres über, auf einer Tagung in Tutzing. Wiedermal fragte Stupka nach dem Unterschied zwischen einem Quadratmeter Acker in Oberbayern und einem Quadratmeter Bauerwartungsland in München - es ist natürlich der Preis. Als Fangfrage formuliert, zeigt er dabei das Bild von ein und dem selben Stück Wiese. Der Saal tobte, die “Bodenpolizei” war ins Leben gerufen und arbeitete von nun an unter hochkarätiger Besetzung auf eine Fachveranstaltung hin.

Diese Veranstaltung "Ein neues Bodenrecht für bezahlbaren Wohnraum" fand letzten Dienstag statt und wurde u.a. vom Bündnis Bezahlbares Wohnen mitveranstaltet. Neben Bodenexperte Prof. Krautzberger und dem Stadtkämmerer Wolowicz folgte auch Alt-OB und langjähriger Präsident des deutschen Städtetages Christian Ude der gemeinsamen Einladung und ermöglichte mit seinem Vortrag einen interessanten Blick in die historische Debatte um Grund und Boden. Denn Dreh- und Angelpunkt der Fachtagung war ein Artikel des ehemaligen OB Dr. Hans-Jochen Vogel zum Thema "Bodenrecht und Stadtentwicklung" aus dem Jahr 1972. Bereits damals wies dieser auf die Auswirkungen des aus seiner Sicht fehlerhaften, nicht am Gemeinwohl orientierten Bodenrechts auf die Stadtentwicklung und die ungleiche Verteilung von Wohlstand hin. Er schlug eine Reform des Bodenrechts vor.

Und so griff auch Ude in seiner Rede auf einen wichtigen Punkt des Artikels zurück: bei der Kommunikation der Reformvorschläge gelte es wichtige psychologische Faktoren zu berücksichtigen und viel Fingerspitzengefühl zu beweisen. Zum Einen sollte die Debatte nicht im Klassenkampf-Stil geführt werden und Sozialneid riskieren. Zum Anderen gilt es, klar zu kommunizieren, wen genau die Reform (nicht) treffen soll, was sie für Konsequenzen hat und welche Ziele mit ihr verfolgt werden - v.a. bezahlbarer Wohnraum! Sonst könnte aus dem mutigen Reform-Tiger schnell ein Bettvorleger werden.

So soll es eben nicht Eigentümer von eigengenutzten Immobilien treffen, sondern vielmehr diejenigen Wertzuwächse bzw. daraus resultierende Gewinne bei Verkauf, die nicht auf eigener Leistung beruhen. Da solche Wertsteigerungen häufig auf Leistungen der Gemeinschaft (z.B. Infrastruktur) beruhen, könnten solche Gewinne beispielsweise mit einer Bodenwertzuwachssteuer abgeschöpft werden. Alternativen hierzu könnten sein: eine Abschaffung der Spekulationsfrist (wie sie am Eingangsbeispiel Roeckelplatz zum Zuge kommt), eine Anhebung der Grunderwerbssteuer (Bayern rangiert hier mit 3,5% am unteren Ende der Bundesländer), sowie eine Einführung der Grundsteuer C auf unbebaute Grundstücke. Die jeweiligen Einnahmen sollten bevorzugt öffentlichen Baulandfonds (kommunal, regional) zukommen. So könnten die Kommunen wieder in die Lage versetzt werden, aktive Grundstückspolitik zu betreiben.

Ude’s Vortrag hatte zudem ein sehr interessantes Ende: er sei den Veranstaltern zwar dankbar, habe sich jedoch über die Einladung geärgert, da es nach fast einem halben Jahrhundert Untätigkeit bezüglich einer möglichen Bodenrechtsreform nicht die SPD, der Deutsche Mieterbund oder die Gewerkschaften sind, die das Thema wiederbeleben, sondern sich hierfür kleine Initiativen zusammenschließen müssen. Eine Anerkennung unserer Arbeit und Seitenhieb für seine Genossen.

Eine weitere Idee lieferte Prof. Krautzberger: die Bodenwertermittlung müsse reformiert werden. Deutschlands Bewertungssystem sei im europäischen Vergleich hintendran und müsste endlich eine Unterscheidung zwischen Grund und den darauf stehendem Immobilien wagen.

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Dr. Vogel zum Bodenrecht 1972
Bodenrecht Vogel 1972.pdf
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Als Fazit bleibt, dass eine Wiederbelebung der Reformbemühungen eine schwierige und komplexe Aufgabe ist, die jedoch nach fast einem halben Jahrhundert ohne Bewegung auf diesem Feld dringlicher denn je wird. Sie ist Teil mehrerer Ansatzpunkte und möglicher Maßnahmen gegen die drastische Entwicklung auf dem Immobilienmarkt. Immerhin sind die Bodenpreise der größte Preistreiber für Mieten.


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